(p.141 L10) Wir unterscheiden zwei Grundrassen deutscher Hausrinder: das Gebirgsvieh und die Niederungsrinder mit ihren schwarz-weißen und rot-bunten Tieflandschlägen. Zu den letzteren gehören die Ostfriesen, Dithmarscher, die vom Niederheil, die Oldenburger, Holsteiner und manche andere; wobei wir auch den ost- und westpreußischen Tieflandschlag nicht vergessen sollten. Dann kommen, schon in Richtung auf die Höhenschläge, unsere einfarbig gelben Franken, die Harzer und Schlesier, endlich die Gebirgsvieh-Rassen: scheckige Simmemtaler und Pinzgauer, die ‘braunen’ Allgäuer. Ohne Zweifel ist das Niederungsvieh für uns die wichtigste und ergiebigste Milchrasse. Kann man sich die flachen, weiten Marschen vorstellen ohne das schwarz-weiße Getupf der schweren Niederungsrinder, die weiden und behaglich wiederkäuen, im Sommer jedoch arg geplagt sind von Schmarotzer-Insekten? Ein Glück, dass hier Stare, Bachstelzen und andere Vögel zu guten Helfern werden und das Vieh noch wirksamer von den blutsaugenden Quälgeistern befreien als der immerzu peitschende Quastenschwanz. Das Gebirgsrind ist grundsätzlich beweglicher und meist auch kleiner; die braunen Allgäuer erinnern mich im Wesen oft an den wilden Urfahr. Ich erlebte, wie eine dicht hinter dem Koppelzaun stehende Mutterkuh plötzlich ihre Vorderbeine an die Brust heranzog und – federnd wie ein Hirsch – aus dem Stand über das fast 11⁄2 m hohe Hindernis hinwegsprang. Es trifft durchaus zu, was die Allgäuer Herdbuch- Gesellschaften und der Zuchtverband für einfarbiges Gebirgsvieh in Oberbayern rühmen:
(p.142)»Das Braunvieh zeichnet sich durch hohe Dauerleistung aus, verbunden mit Leichtfuttrigkeit und widerstandsfähiger Langlebigkeit, Regelmäßiger Weidegang und Sömmerung der Jungtier auf hochgelegenen Alpen härten das Braunvieh ab.« Im Winter steht (für gewöhnlich) alles Vieh im warmen, nach Heu und Milch duftenden Kuhstall, einzeln und paarweise bei Kleinbauern, in langen Reihen auf den Gütern und in blitzblanken Milchwirtschafts-Betrieben. Es darf nicht verschwiegen werden, dass unsere hochgezüchteten Nutzrinder von einigen schweren, oft auch ansteckenden Krankheiten bedroht sind. Vielleicht darf man sie sogar Kulturkrankheiten nennen. Ich denke an die immer wiederkehrende, sehr gefürchtete Maul- und Klauenseuche, an die Bangsche Infektionskrankheit des seuchenhaften Verwerfens und schließlich an den auch für die Trinkmilch bedenklichen Tbc-Befall der Rinder. Die tierärztliche Wissenschaft der Gegenwart schuf allerlei Bekämpfungsmittel. Am wesentlichsten aber nützt wohl gegen diese Wirtschaftsgefahr die vorbeugende Abhärtung. Mir imponiert sehr ein moderner, keimfreier Innenstall mit seinen hygienischen Melkmaschinen und dem stets sauber abgespülten Grund; aber ich hörte doch von Euter-Erkrankungen durch das Liegen der Kühe auf den kalten
(p.143) Steinfliesen oder an der harten Dungrinne aus Beton. Ich hoffe sehr, dass sich die ‘Offenstallhaltung’ mehr und mehr durchsetzt, bei der die Rinder ganzjährig im Freien sind und nur einen dreiwandigen Schuppen als Schlechtwetter- und Futterunterstand haben. Nötig ist allerdings hohe Einstreuung und ein bedachter, zugfreier Melkgang. Ich höre, Milchleistung und Fettgehalt seien bei den Offenstall-Kühen nicht zurückgegangen; ich sah im Fichtelgebirge zottig gehaarte, sehr gesunde Rinder mit bester Klauen-Abnützung, die sogar während eines dichten Schneewirbels auf ihren Unterstand verzichteten.
*pic 143 Das linke Bild entsteht bei Almabtrieb am Tegernsee. Blumenkränze und Bildtafeln schmücken die Kühe, vor allem das Leittier.
*pic 144/145 Der wohldurchlüftete helle Stall eines Mustergutes. Von hier kommt sicher einwandfreie Milh zum Verbraucher.