(p.25)Bracken und zotthaarige Schäferhunde sind die Ahnen der Pudel, die ursprünglich alle ein wolliges, sripalig sich ringelndes Fell hatten. Dadurch, daß die toten Haare nicht abgestoßen werden, verfilzen sie mit den nachwachsenden, und so entstanden allmählich neben den Wollpudeln auch die Schnürenpudel. Beide müssen besonders
(p.26)häufig gekämmt und gebürstet werden. Schur und Haarpflege schufen beim Pudel vielerlei modische, ja oft frivol groteske Formen. Es gab sogar einen Weltmeister der Pudelfriseure; ich nehme an, auch er wird den kräftigen Pudel-Schnurrbart beibehalten haben. Doch nicht die üppige Haarpracht verleiht den schwarzen, braunen und weißen Pudeln die persönliche Note, sondern ihr geistiges Temperament, ihre Gelehrsamkeit. Goethes Faust spricht zwar vom ‘pudelnärrisch Tier’; aber der Pudel ‘Moustache’ erhielt für seinen Mut in den napoleonischen Feldzügen höchst feierlich eine Medaille umgehängt. Und Schopenhauer bekennt: »Was mir den Umgang mit meinem Pudel so erfreulich macht, ist die Durchsichtigkeit seines Wesens und seiner Seele. Mein Hund ist durchsichtig wie Glas! « Der Name Pudel kommt vom niederdeutschen Wort ‘pudeln’ undbedeutet ‘im Wasser plätchern’. Auch wir Heutigen gebrauchen ja noch den Ausdruck ‘pudelnaß’, als Rückerinnerung an die Zeit, da der Pudel ein tüchtiger Helfer bei den Wasserjagden war. Heute ein Mode-, fast gar ein Luxushund, genoß er einst tatsächliche Volkstümlichkeit (’bekannt wie ein bunter Pudel’), und er begleitete treu und robust die Landsknechte, die Bauern und die Hirten, wetterfest, so wie wir ihn zuweilen noch jetzt als Hüter einer wandernden Schafherde antreffen können. Hirtenhund, Hütehund! Zwar nicht nah verwandt mit den großen und den Zwergpudeln, seien nun dir ungarischen Hirtenhunde gegrüßt, zuerst der weiße Kuvasz mit dem breiten Schädel, den V-förmigen, schönen Hängeohren, den dunklen Augen, der ein schafer Wächter ist. Nach ihm der Komonder, den man zu den Hunderassen zählt. Seine Behaarung reicht an Bauch und Rute fast bis zum Boden, verhüllt auch die Kopf-Kontur. Doch mit besonderer Freude will ich vom Puli erzählen, vom rötlich-grauschwarzen, freundlichen Pußtahund. Ruhmes-Balladen hört man über die Anhänglichkeit des Puli, über seine Treiber-Eigenschaften, seinen Verstand. Ein Pußta-Hirte erhielt eine Vorladung zum Gericht in Budapest; selbstverständlich nahm er seinen Puli mit und wurde am großen Tor vom Pförtner angehalten: »Bist Du blind? Hier steht doch, ‘Hunden Zutritt nicht gestattet!’ « Der Hirte ging unbekümmert die Treppe hinauf. »Lesen kann ich. Habe keinen Hund bei mir. Das ist ein Puli! « Kurz nachdem mir diese Anekdote berichtet worden war, machte ich eine längere Ungarn-Studiennreise in der Hortobagy, dem Kernstück der Pußta-Heide, zog ich mit Pferde-, Rinder- und Schafherden umher, schloß mich besonders an einen alten Schäfer an. Ihm erzählte ich das Budapester
(p.25)Geschichtchen und zwinkerte dazu: »Jäderlatein gibt’s auf der ganzen Welt. « Der Alte nahm den Grashalm aus dem Mund: » Sie haben eben keine Ahnung von unserem Puli. Nicht wahr, als wir heute früh vom Hof wegtrieben, gingen meine Frau und die Schwiegertochter zur Feldarbeit. Der Sohn ist mit den Pferden draußen. Nur die kleinen Enkel sind daheim. Warum kaue ich den Graschalm? Ich ließ dummerweise in der Küche meine Pfeife liegen. Passen Sie auf!« Er schnalzte nur halblaut, und schon stand neben ihm der Puli. Ein Griff in die Hosentasche brauchte den Tabaksbeutel zum Vorschein. Der Schäfer knotete ihn auf, tat so als suche er und sagte dann ein ungarisches Wort zu dem Puli, der ihn aufmerksam beobachtet hatte. Kurzes Blaffen, Kehrtwendung, schnurgerades Davonbrausen. »Eine Dreiviertelstunde braucht er mindestens für den Hin- und Herweg«, meinte der Mann und ging nun selbst den Hütegang um die Herde. Ich sah auf meine Uhr. Nach 51 Minuten waren beide zur Stelle: der Puli und die Tabakspfeife!
*pic023 Der akrobatische Jüngling findet sich mit Recht unwiderstehlich.