SING, unsterbliche Seele, der suendigen Menschen Erloesung, Die der Messias auf Erden in seiner Menschheit vollendet, Und durch die er Adams Geschlechte die Liebe der Gottheit Mit dem Blute des heiligen Bundes von neuem geschenkt hat.
Also geschah des Ewigen Wille. Vergebens erhub sich Satan wider den goettlichen Sohn; umsonst stand Juda Wider ihn auf: er tats, und vollbrachte die grosse Versoehnung.
Weihe sie, Geist Schoepfer, vor dem ich hier still anbete, 10 Fuehre sie mir, als deine Nachahmerin, voller Entzueckung, Voll unsterblicher Kraft, in verklaerter Schoenheit, entgegen.
Rein sei mein Herz! So darf ich, obwohl mit der bebenden Stimme Eines Sterblichen, doch den Gottversoehner besingen, Und die furchtbare Bahn, mit verziehnem Straucheln, durchlaufen.
Menschen, wenn ihr die Hoheit kennt, die ihr damals empfinget, Da der Schoepfer der Welt Versoehner wurde; so hoeret Meinen Gesang, und ihr vor allen, ihr wenigen Edlen, 20 Teure, herzliche Freunde des liebenswuerdigen Mittlers, Ihr mit dem kommenden Weltgerichte vertrauliche Seelen, Hoert mich, und singt den ewigen Sohn durch ein goettliches Leben.
Nah an der heiligen Stadt, die sich jetzt durch Blindheit entweihte, Und die Krone der hohen Erwaehlung unwissend hinwegwarf, Sonst die Stadt der Herrlichkeit Gottes, der heiligen Vaeter Pflegerin, jetzt ein Altar des Bluts vergossen von Moerdern; Hier wars, wo der Messias von einem Volke sich losriss, Das zwar jetzt ihn verehrte, doch nicht mit jener Empfindung, Die untadelhaft bleibt vor dem schauenden Auge der Gottheit. 30
Jesus verbarg sich diesen Entweihten . Zwar lagen hier Palmen Vom begleitenden Volk; zwar klang dort ihr lautes Hosanna; Aber umsonst. Sie kannten ihn nicht, den Koenig sie nennten, Und, den Gesegneten Gottes zu sehn, war ihr Auge zu dunkel.
Gott kam selber vom Himmel herab. Die gewaltige Stimme: Sieh, ich hab’ ihn verklaert, und will ihn von neuem verklaeren! War die Verkuendigerin der gegenwaertigen Gottheit. Doch sie waren, Gott zu verstehn, zu niedrige Suender.
Unterdes nahte sich Jesus dem Vater, der wegen des Volkes, Dem die Stimme geschah, voll Zorn gen Himmel hinaufstieg. 40 Denn noch einmal wollte der Sohn des Bundes Entschliessung, Seine Menschen zu retten, dem Vater feierlich kundtun.
Gegen die oestliche Seite Jerusalems liegt ein Gebirge, Welches auf seinem Gipfel schon oft goettlichen Mittler, Wie ins Heilige Gottes, verbarg, wenn er einsame Naechte Unter des Vaters Anschaun ernst in Gebeten durchwachte.
Jesus ging nach diesem Gebirge. Der fromme Johannes Er nur folgt’ ihm dahin bis an die Graeber der Seher, Wie sein goettlicher Freund, die Nacht in Gebete zu bleiben. Und der Mittler erhub sich von dort zu der Spitze des Berges. 50
Da umgab ihn vom hohen Moria ein Schimmer der Opfer, Die den ewigen Vater noch jetzt in Bilde versoehnten. Ringsum nahmen ihn Palmen ins Kuehle. Gelindere Luefte, Gleich dem Säuseln der Gegenwart Gottes, umflossen sein Antlitz.
Und der Seraph, der Jesus auf Erden zum Dienste gesandt war, Gabriel nennen die Himmlischen ihn, stand feirend am Eingang Zwoer umdufteter Zedern, und dachte dem Heile der Menschen, Und dem Triumphe der Ewigkeit nach, als jetzt der Erloeser Seinem Vater entgegen vor ihm im stillen vorbeiging. Gabriel wußte, dass nun die Zeit der Erloesung herankam. 60 Diese Betrachtung entzueckt’ ihn, er sprach mit leiserer Stimme:
Willst du die Nacht, o Goettlicher, hier in Gebete durchwachen? Oder verlangt dein ermuedeter Leib nach seiner Erquickung? Soll ich zu deinem unsterblichen Haupt ein Lager bereiten? Siehe, schon streckt der Sproessling der Zeder den gruenenden Arm aus, Und die weiche Staude des Balsams. Am Grabe der Seher Waechst dort unten ruhiges Moos in der kuehlenden Erde. Soll ich davon, o Goettlicher, dir ein Lager bereiten? Ach wie bist du, Erloeser, ermuedet! Wie vieles ertraegst du Hier auf Erden, aus inniger Liebe zu Adams Geschlechte! 70
Gabriel sagts. Der Mittler belohnt ihn mit segnenden Blicken, Steht voll Ernst auf der Hoehe des Bergs am benachbarten Himmel. Dort war Gott. Dort betet’ er. Unter ihm toente die Erde, Und ein wandelndes Jauchzen durchdrang die Pforten des Abgrunds, Als sie von ihm tief unten die maechtige Stimme vernahmen.
Denn sie war es nicht mehr des Fluches Stimme, die Stimme Angekuendigt in Sturm, in donnerndem Wetter gesprochen, Welche die Erde vernahm. Sie hoerte des Segnenden Rede, Der mit unsterblicher Schoene sie einst zu verneuen beschlossen.
Ringsum lagen die Huegel in lieblicher Abenddaemmrung, 80 Gleich als bluehten sie wieder, nach Edens Bilde geschaffen. Jesus redte. Nur er, und der Vater durchschauten den Inhalt Grenzlos; dies nur vermag des Menschen Stimme zu sagen:
Goettlicher Vater, die Tage des Heils, und des ewigen Bundes Nahen sich mir, die Tage zu groessern Werken erkoren, Als die Schoepfung, die du mit deinem Sohne vollbrachtest.
Sie verklaeren sich mir so schoen und herrlich, als damals, Da wir die Reihe der Zeiten durchschauten, die Tage der Zukunft, Durch mein goettliches Schaun bezeichnet, und glaenzender sahen.
Dir nur ist es bekannt, mit was vor Einmut wir damals, 90 Du, mein Vater, und ich, und der Geist die Erloesung beschlossen. In der Stille der Ewigkeit, einsam, und ohne Geschoepfe, Waren wir beieinander. Voll unsrer goettlichen Liebe, Sahen wir auf die Menschen, die noch nich waren, herunter.
Edens selige Kinder, ach unsre Geschoepfe, wie elend Waren sie, sonst unsterblich, nun Staub, und entstellt von der Suende! Vater, ich sah ihr Elend, du meine Traenen. Da sprachst du: Lasst das Bild der Gottheit im Menschen von neuem uns schaffen! Also beschlossen wir unser Geheimnis, das Blut der Versoehnung, Und die Schoepfung der Menschen verneut zum ewigen Bilde! 100
Hier erkor ich mich selbt, das goettliche Werk zu vollenden. Ewiger Vater, das weisst du, das wissen die Himmel, wie innig Mich seit diesem Entschluss nach meiner Erniedrung verlangte! Erde, wie oft warst du, in deiner niedrigen Ferne, Mein erwaehltes, geliebteres Augenmerk! Und o Kanan, Heiliges Land, wie oft hing mein sanfttraenendes Auge An dem Huegel, den ich von des Bundes Blute schon voll sah.
Und wie bebt mir mein Herz von suessen, wallenden Freuden, Dass ich so lange schon Mensch bin, dass schon so viele Gerechte Sich mir sammeln, und nun bald alle Geschlechte der Menschen 110 Mir sich heiligen werden! Hier lieg ich, goettlicher Vater, Noch nach deinem Bilde geschmueckt mit den Zuegen der Menschheit, Betend vor dir: bald aber, ach bald wird dein toetend Gericht mich Blutig entstellen, und unter den Staub der Toten begraben.
Schon, o Richter der Welt, schon hoer ich von fern dich, und einsam Kommen, und unerbittlich in deinen Himmeln dahergehen. Schon durchdringt mich ein Schauer, dem ganzen Geistergeschlechte Unempfindbar, und wenn du sie auch mit Zorne der Gottheit Toetetest, unempfindbar! Ich sehe den naechtlichen Garten Schon vor mir liegen, sinke vor dir in niedrigen Staub hin, 120 Lieg’, und bet’, und winde mich, Vater, in Todesschweisse.
Siehe, da bin ich, mein Vater. Ich will des Allmaechtigen Zuernen, Deine Gerichte will ich mit tiefem Gehorsam ertragen. Du bist ewig! Kein endlicher Geist hat das Zuernen der Gottheit, Keiner je, den Unendlichen toetend mit ewigem Tode, Ganz gedacht, und keiner empfunden. Got nur vermochte Gott zu versöhnen. Erhebe dich, Richter der Welt! Hier bin ich!
Toete mich, nimm mein ewiges Opfer zu deiner Versoehnung. Noch bin ich frei, noch kann ich dich bitten; so tut sich der Himmel Mit Myriaden von Seraphim auf, und fuehret mich jauchzend, 130 Vater, zurueck in Triumph zu deinem erhabenen Throne! Aber ich will leiden, was keine Seraphim fassen, Was kein denkender Cherub in tiefen Betrachtung einsieht; Ich will leiden, den furchtbarsten Tod ich Ewiger leiden!
Weiter sagt’ er, und sprach: Ich hebe gen Himmel mein Haupt auf, Meine Hand in die Wolken, und schwoere dir bei mir selber, Der ich Gott bin, wie du: Ich will die Menschen erloesen!
Aber unhoerbar den Engeln, nur sich und dem Sohne vernommen, 140 Sprach der ewige Vater, und wandte sein schauendes Antlitz Nach dem Mittler hin: Ich breite mein Haupt durch die Himmel, Meinen Arm aus durch die Unendlichkeit, sage: Ich bin Ewig! und schwoere dir, Sohn: Ich will die Suende vergeben!